Sehr geehrte Familie Heel, sehr geehrte Eltern und Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, 

Wir freuen uns heute mit Ihnen und mit euch eure Abiturentlassung zu feiern. Herzlich begrüßen wir auch die Eltern der internationalen Schülerinnen und Schüler, die zu diesem Anlass heute aus Mexiko und der Ukraine angereist sind. 

Das Ende einer 12-jährigen Schulzeit, das Ende einer weiteren Schülerära – oder wie ihr sagen würdet: “Die Götter verlassen den Olymp”. 

Das Ende der Schulzeit ist definitiv eine Zäsur im Leben.  

Gehen wir mal davon aus, dass ihr im Schnitt 18 Jahre alt seid. Ja, das haut nicht ganz hin, aber wir beide sind ja nun weiß Gott keine Mathematiker. 

Also: 18 Jahre. Das sind 939 Wochen.  

Die ersten 313 Wochen wart ihr als Babys, Kleinkinder und Kitakinder völlig abhängig und weitestgehend fremdbestimmt. 

Ausgehend von 12 Schuljahren wart ihr dann ca. 626 Wochen Schulkinder. 

417 dieser 626 Schulwochen wart ihr – jedenfalls sehr viele von euch – hier auf Kalkuhl. Erinnert ihr euch an die ersten Tage „auf Kalkuhl“? Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer haben euch begleitet. Ihr habt neue Freundschaften geschlossen, von denen viele die Schulzeit überdauern werden.

Ca. 130 Wochen war eure Schulzeit geprägt von einer Pandemie, die eure Teenagerzeit beeinträchtigt und überschattet hat.   

„Das waren verrückte Zeiten“, wird man vielleicht mal über die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und Einschränkungen sagen. Eure Pubertät lag voll in dieser Zeit, in der man sich doch eigentlich weg von seinen Eltern hin zu Freunden und Peers orientiert, Erfahrungen sammelt und als Mensch reift.

Diese Überlegungen begleiteten uns zu Beginn der Q1 übrigens auch, als wir überlegten, ob und wie eine verantwortungsvolle Stufenfahrt in diesen Zeiten stattfinden könnte. So kamen wir 6 Leistungskurslehrerinnen und -lehrer in Adenauers Mittagspausenaufsicht auf die glorreiche Idee, gemeinsam mit allen nach Berlin zu fahren. Es gab in der Schulleitung durchaus skeptische Stimmen: „So viele junge Leute gemeinsam auf einer Fahrt? Das kann ungeahnte Dynamiken entwickeln. Ich würde es nicht machen“, könnten wir da jemanden zitieren. Aber: es hat wunderbar geklappt. Um Punkt 23 Uhr wart ihr stets zuverlässig auf den Zimmern und Alkohol wurde im Grunde nur im Rahmen einer Weinprobe der Leistungskurse Chemie und Geschichte – also eigentlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken – verkostet.

Diese 1 Woche in eurem und unserem Leben wird uns auf jeden Fall in guter Erinnerung bleiben.

Kommen wir zurück zu eurer Lebenszeit.

939 Wochen sind nun vorbei. 

Wieviel Zeit bleibt? Und: wie wollt ihr diese Zeit nutzen? Habt ihr Pläne? Studium, Ausbildung, Karriere, Partnerschaft, Kinder, Haus, Reisen, sich selbst verwirklichen? Was ist mir meine Zeit wert? Wofür arbeite ich? Mit wem und womit will ich meine Zeit verbringen? Was bleibt mir davon? Ihr seht, ein Abschnitt ist mit dem Abitur geschafft, der nächste bringt viele neue Themen, Möglichkeiten und Fragen mit sich. 

Mit dem Eintritt in diese Lebensphase, die heute beginnt, werdet ihr mehr und mehr und schließlich gänzlich die Verantwortung für euer Leben übernehmen, Entscheidungen treffen, die mal schlau und mal weniger schlau sind, die große Veränderungen bringen oder die im Sande verlaufen, weil vielleicht der Zufall daherkommt und Pläne zunichte macht. “Leben ist, was passiert, während wir dabei sind andere Pläne zu machen“ – sagte John Lennon und wissen wir Älteren, die wir hier heute anwesend sind. Sollte man also lieber direkt das Planen und Entscheiden einstellen, weil eh alles anders kommt? Nein! Natürlich nicht. Entscheidet! Seid mutig! Hört in euch hinein und trefft Entscheidungen. Holt euch Rat bei euren Familien und Freunden, um dann euer Leben zu gestalten. Wir wollen den Druck jetzt nicht unnötig erhöhen, aber: ihr habt nur ein Leben. Das ist jedenfalls der aktuelle Stand der Forschung – auch wenn euch die Themen am Ende eures Englischunterrichts diesbezüglich eventuell etwas anderes suggeriert haben. Es sind nicht nur Entscheidungen, die das – mit Verlaub – „kleine“ eigene Leben betreffen. Große globale Themen und Probleme werden euch begleiten und ihr sollt diejenigen sein, die Lösungen finden, das Schlimmste abwenden – kurzum: das Ruder herumreißen.

“Wie lange dauert denn bitte diese anstrengend klingende nächste Phase?” 

Wenn wir – optimistisch daherkommend – von einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren ausgehen, sprechen wir hier von 2555 Wochen, die ihr ein produktiver Teil der Gesellschaft sein werdet. 

Das klingt erstmal…. einschüchternd. 

Übrigens: Wir haben mal nachgerechnet, wo wir beide eigentlich gerade in dieser produktiven Phase stecken. Sagen wir es mal so: das Bergfest liegt bereits hinter uns. Es sind noch gut 1000 Wochen. Ihr werdet euch sicher an Tage erinnern, an denen man uns diese vielen Wochen, die bereits hinter uns liegen, durchaus angemerkt hat…. 

Auf der Grundlage eines in 1500 Wochen gewachsenen Erfahrungsschatzes möchten wir euch ans Herz legen, nicht einfach durch die kommende Phase zu stolpern. Findet herausfinden, was euch wichtig ist, was euch glücklich und zufrieden macht. Ihr werdet die Erfahrung machen, dass es dabei nicht darum gehen wird, Punkte auf einer To do-Liste abzuhaken und nicht im Sinne des “Höher-Schneller-Weiter-Prinzips“ durch das Leben zu gehen.  

Wir geben euch jetzt mal 1300 Wochen Zeit und treffen uns dann zu eurem 25-jährigen Abijubiläum hier auf Kalkuhl wieder. Wir als rüstige Pensionäre – ihr – wie wir heute – mitten im Leben stehend. Wir sind gespannt, welche Entscheidungen ihr getroffen habt in der Zwischenzeit und was aus eurer Schulzeit dann noch in Erinnerung geblieben sein wird.  

Vielleicht haben sich zu diesem Zeitpunkt unsere ganzen Überlegungen zu den verschiedenen Lebensphasen erübrigt, weil die Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt übernommen hat und ihr gar nicht mehr produktiv sein müsst oder aber weil die Lebenserwartung so gestiegen ist, dass ihr noch lange auf das Renteneintrittsalter warten müsst. 

Egal, wie es kommt:  Überlegt euch, wie und mit wem ihr eure Zeit, eure Zukunft verbringen wollt. Das Leben ist ein Geschenk und es gibt so viele spannende und erfüllende Dinge und Möglichkeiten, die auf euch warten. Es ist eure Entscheidung, wer und was davon euch am meisten bedeutet. Trefft diese Entscheidung – bei allem Zufall und bei all dem Alltag, der einen ablenkt – immer wieder selbst und ganz bewusst.  

Liebe Eltern,  

Auch für Sie ist der heutige Tag eine Zäsur. Die einen sind nun fertig mit dem Thema Schule, bei den anderen geht es mit den gewonnenen Erfahrungen in die nächste Runde. Wir möchten uns bei Ihnen für das entgegengebrachte Vertrauen – gerade in der unruhigen Coronazeit – und die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Wir sind zuversichtlich, dass Ihre Kinder ihren Platz im Leben finden werden. Sicherlich haben Sie ihnen schon einmal gezeigt, wo der Rand des Nestes ist. Das kann sicher auch nicht schaden… 

Liebes Internatsteam, lieber Markus, liebe Familie Heel, 

Für einige unserer Schülerinnen und Schüler war das Kalkuhl nicht nur eine Schule, sondern auch ein Zuhause – und zwar in teils sehr turbulenten Zeiten. Corona stellte euch und Sie vor völlig neue Herausforderungen im Alltag. Ganz besonders möchten wir uns bei Ihnen und euch bedanken, dass unsere beiden unmittelbar vom Krieg in der Ukraine betroffenen Schülerinnen hier auf Kalkuhl ein sicheres Zuhause hatten. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

Vielen Dank für eure Unterstützung und euer stets offenes Ohr in den vergangenen 3 Jahren. Euer Engagement – in Lockdownphasen und dann wieder im regulären Schulbetrieb – war uns und den Schülerinnen und Schülern stets eine große Hilfe.  

Herr Tenge kann heute leider nicht persönlich anwesend sein, aber ihm gilt unser ganz besonderer Dank! „Schulrechtlich souverän, persönlich zugewandt“ – das beschreibt seine Arbeit. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die einzelne Schülerin bzw. der einzelne Schüler. Gerade in diesem Jahr gab es in der Abiturphase die ein oder andere besondere Herausforderung, der er mit gewohnter Ruhe und Klarheit entgegengetreten ist. 

Auch dir, Ingo, der du als Schulleiter den Vorsitz im Zentralen Abiturausschuss innehast, gilt unser Dank! Du standest uns immer mit Rat und Tat sowie auch in stressigen Situationen mit der notwendigen Ruhe zur Seite.  

Ohne unseren Hausmeister Herrn Köstlmeier und unsere Sekretärin Frau Etscheid wären wir im Schulalltag und im Abitur ziemlich verloren. Viel Arbeit wird von euch im Hintergrund ganz selbstverständlich erledigt. Ganz herzlichen Dank dafür! 

Das waren nun unsere abschließenden Worte in euren 417 Wochen Kalkuhl. Wir freuen uns, wenn ihr mit positiven Gedanken und mit einem Lächeln an eure Zeit bei uns zurückdenkt. Wir tun das auf jeden Fall.

Wir gratulieren euch herzlich zum Abitur und wünschen euch alles Gute für eure Zukunft! 

Kerstin Krüsselmann und Thorsten Rospenk