Sehr geehrte, liebe Familie Heel,
liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
verehrte Eltern, Angehörige und Freunde, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Internatspädagoginnen.
Wir verabschieden heute den 92. Abiturienten-Jahrgang unseres Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums mit der Aushändigung der Reifezeugnis-se. Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, möchte ich von ganzem Herzen zum bestandenen Abitur gratulieren!
Ich begrüße neben allen Angehörigen besonders Sie, liebe Eltern! Sie haben eine – teilweise recht aufregende – Schulbiografie Ihres Kindes miterlebt: Von den spannenden Momenten der Einschulung und dann des Übergangs auf das Gymnasium, den schönen und we-niger schönen Begegnungen mit den vielseitigen Anforderungen, die die Schulzeit nun mal mit sich bringt, über die ganz persönlichen Höhen und Tiefen (wie das Abimotto ja deutlich betont!) bis hin zum heutigen großen Tag, an dem wir uns alle über das erreichte Ziel miteinander freuen können. Herzlichen Glückwunsch auch Ihnen, den Eltern, zum Erfolg Ihrer Tochter bzw. Ihres Sohnes.
Ein Dankeschön geht natürlich auch an alle Kolleginnen und Kolle-gen, die je auf ihre individuelle Weise mit Wissen, Kompetenz und vor allem mit dem Herzen intensiv an der Bildung und Erziehung dieses Abiturientenjahrganges beteiligt gewesen sind.
Ganz besonders möchte ich Herrn Stephan, dem Koordinator der Oberstufe, und Herrn Bretz als Jahrgangsstufenleiter danken. Sie waren in den letzten drei Oberstufenjahren engagierte Begleiter und Förderer jedes Einzelnen in diesem Abiturjahrgang.
Und für alle Abiturientinnen und Abiturienten, die sich ganz bewusst für drei Jahre Oberstufe im Internat entschieden haben, waren die Internatspädagogen, ganz besonders Herr Milewski, mal Mahner, mal Helfer und Berater, auf jeden Fall aber immer Ansprechpartner, dem man sich so manches Mal auch vertrauensvoll mitteilen konnte. Wie erfreulich ist es, dass bei vielen, die sich für unser Internat ent-schieden haben, dieser Weg zu dem erhofften Erfolg geführt hat. Dabei möchte ich betonen, dass das ernsthafte Arbeiten für diesen Erfolg letztlich immer die ganz grundsätzliche persönliche und täglich neue Entscheidung eines jeden gewesen ist!
Schule und Internat, Förderung und Silentium bieten für das Lernen einen Gelingensrahmen, aber als Schüler muss man das Angebot auch annehmen und aktiv umsetzen, um davon zu profitieren. Mehr noch als zum heutigen, so erfreulichen Abiturergebnis, das sich in Noten und Durchschnittswerten ausdrückt, möchte ich deshalb dazu gratulieren, dass Sie es geschafft haben, sich eine grundsätzliche Einstellung zur aktiven Gestaltung Ihrer persönlichen Entwicklung anzueignen. Denn ein Ziel zu haben ist das eine, den Weg dahin zu gehen mit Eigenverantwortung, Ausdauer, Kraft und auch der steten Bereitschaft, äußere und vor allem auch innere Widerstände zu überwinden, das ist etwas ganz anderes.
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten: Sie stehen an der Schwelle des Erwachsenseins befinden sich nun inmitten eines Findungspro-zesses. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die bedeutendste Phase der Persönlichkeitsbildung überhaupt. Ich denke, dass es im Leben einige wenige, wirklich grundsätzliche Entscheidungen gibt, die man trifft. Übrigens: auch wenn man sie nicht trifft, wird einem das Leben zeigen, dass man sie trotzdem schon getroffen hat. Die Zeit dafür heißt: Jetzt!
Wie es nun in der Ausbildung und in einen Beruf hinein weitergeht, das ist schon eine gewichtige Entscheidung. Natürlich ist die Welt heute kleiner, schneller und sehr flexibel geworden. Damit sind die Lebenswege sicherlich auch mehr geprägt von Veränderung als in den vorigen Generationen. Das meine ich in jeglicher Hinsicht, also beispielsweise bezogen auf den Ort, die berufliche Orientierung und auch auf die soziale Umgebung.
Dies zu wissen und dennoch unerschrocken diesen – Ihren – Weg zu gehen, dazu möchte ich heute ermutigen. Die Aufgabe besteht darin, mit klarer eigener Haltung die Chancen des Lebens zu nutzen. Steve Jobs, der Apple-Gründer, brachte diesen Gedanken mit einem leidenschaftlichen Appell auf den Punkt:
„Ihre Zeit ist begrenzt“, sagte er, „also verschwenden Sie sie nicht. Lassen Sie sich nicht von Dogmen in die Falle locken. Lassen Sie nicht zu, dass die Meinungen der anderen Ihre innere Stimme ersti-cken. Am wichtigsten ist es, dass Sie den Mut haben, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Alles andere ist nebensächlich.“
Fest steht, dass dieser Moment der Gemeinschaft, den wir heute noch einmal miteinander erleben, vorläufig erst einmal der letzte seiner Art sein wird. Das Leben wird Sie gleich nach unserer heutigen Feier in alle Winde zerstreuen, und das ist auch gut so.
A propos Gemeinschaft: Einer eigenen Tradition folgend habe ich auch diesmal zur Abiturrede etwas Anschauliches mitgebracht.
Diesmal ist es ganz schön schwer, obwohl es gar nicht so aussieht: eine Judomatte aus unserer alten Turnhalle. Vor acht Jahren, also im August 2008, starteten die meisten von Ihnen am Kalkuhl als Fünft-klässler. Und dieser Start zum Schuljahr 2008/09 verbindet mich ganz besonders mit Ihnen. Denn genau zu derselben Zeit habe ich mit großer Freude die Aufgabe des Schulleiters am Ernst-Kalkuhl-Gymnasium übernommen.
Was hat nun diese Matte mit unserem gemeinsamen Start damals zu tun? Zum einen sicherlich die Botschaft, dass wer anfängt – ob als Schüler, Lehrer und auch als Direktor – so einiges auch mal sportlich nehmen muss. Und da ist eine Trainingsmatte schon hilfreich, um bei den entsprechenden Übungen keine ernsthaften Verletzungen davonzutragen.
Zum anderen weckt diese Judomatte bei mir noch eine ganz andere Erinnerung, und die ist ganz konkret mit dem Stichwort „Gemein-schaft“ verbunden. Im Schuljahr 2008/09 hatte ich den Religionsun-terricht in einer fünften Klasse übernommen. Und schon in den ers-ten Stunden merkte ich, dass wir eigentlich kaum an den vorgese-henen Unterrichtsinhalten arbeiten konnten, zumindest nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zwar gehörte thematisch auch die Be-schäftigung mit Fragen nach der eigenen Person und deren Platz in der Welt in den Religionsunterricht. Meine Klasse machte mir aber ganz unmittelbar klar: das Gemeinschaftsthema: „Meine Klasse und ich“ hieß für die Schülerinnen und Schüler erst mal: Wir werden eine Klassengemeinschaft! Denn da waren viele dynamische, kaum zu bändigende junge Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Grund-schulen und Lebenskreisen kommen, in einem Klassenraum und das 90 Minuten lang… von Gemeinschaft noch keine Spur!
2008 – das war noch die Zeit, in der es weder die neue Turnhalle, noch das Kalkuhl-Forum gab! Mir war aus meiner vorherigen Erfah-rung mit dem Lions-Quest-Programm, das unter anderem in fünften Klassen besonders auf die Bildung der Klassengemeinschaft abzielt, klar: Die Klasse muss eine arbeitsfähige Gemeinschaft werden, noch bevor wir uns mit irgendwelchen anderen Fachinhalten beschäftigen können. Das geht aber nicht theoretisch, sondern nur, indem wir in Interaktionsübungen eine Bereitschaft zum Miteinander schaffen: Respekt, Toleranz und Wertschätzung. Für praktische Übungen war die Klasse schnell zu begeistern, aber im Klassenraum? Also machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten und größeren Raum. Natürlich war die alte Turnhalle von anderen Klassen belegt, aber da war noch diese am Schulmorgen glücklicherweise oft ungenutzte Gymnastikhalle – heute unser Kalkuhl-Forum. Dort waren auch die Judo-Matten gestapelt – und diese hier ist eine davon!
Sie können sich denken, wie es weiterging: Über Wochen fand der Reli-Unterricht in der Gymnastikhalle statt. Es gab imaginäre Linien, auf denen man sich positionieren konnte: Wir klärten den emotiona-len Abstand untereinander. Es gab erste Diskussionen: Was muss geschehen, um den Linienabstand zu jemandem anderen zu verrin-gern? Und wie fühlt man sich, wenn man sich aufeinander zubewegt? Es waren wahrlich spannende und für die Gemeinschaftsbildung innerhalb der Klasse ganz grundlegende Erlebnisse. Wie die damalige fünfte Klasse dann tatsächlich zu einer Klasse wurde, daran erinnere ich mich heute gern zurück.
Diese Matte nehme ich als Erinnerungszeichen noch einmal auf. Da-mals bot sie die gepolsterte Basis für den Start in die Klassen- und auch in die Schulgemeinschaft. Mit dem heutigen Tag wenden Sie sich einmal mehr einem neuen, unbekannten Lebenszusammenhang zu. Mit dem Abitur in der Tasche geht es an eine Uni oder in ein Ausbildungsverhältnis, Sie machen ein Praktikum oder Sie machen ein Gap-Year in einem fremden Land und begegnen auf jeden Fall vielen anderen Menschen.
Die individuellen und sozialen Kompetenzen, die Sie hier an unserer Schule neben allem anderen Wissen und bedeutsamen Fertigkeiten erlernt haben, werden Ihnen helfen, sich überall dort im Zusam-menhang mit anderen Menschen zurechtzufinden und ihren Platz einzunehmen. Respekt, Toleranz und Wertschätzung, das ist die Ba-sis des Miteinanders im Leben. Dazu gehört der Wille und die Fähig-keit, sich zu verständigen ebenso wie die Selbstverantwortung und Verantwortung in der Gesellschaft.
Was wir hier auf gepolsterten Matten üben konnten, wird sich hof-fentlich in Ihrem Leben bewähren. Und wenn es da draußen einmal rau wird und ein Polster gut täte, dann denken Sie vielleicht an un-sere Schule zurück. Wir hier am Kalkuhl-Gymnasium würden uns je-denfalls freuen und auch ein bisschen stolz sein, wenn Ihnen dann einfiele, dass Sie ja schon alles dabei haben, um auch diese Situation nicht nur heil zu überstehen, sondern auch positiv zu gestalten!
Von Herzen wünsche ich Ihnen, dass Sie Ihren Weg in ein gutes und gelingendes Leben finden. Und zum Schluss lade sie schon jetzt herzlich ein, uns gerne einmal zu besuchen und bin sehr gespannt, was Sie von Ihrem Weg zu erzählen haben.
Am heutigen Tag aber wollen wir Ihren Erfolg miteinander feiern!
Herzlichen Glückwunsch zum Abitur!