„Ähm… Ich glaube wir haben ein kleines Problem…“ Besorgt deute ich auf die zahlreichen Schilder, die überdeutlich zu verstehen geben, dass Flüssigkeiten vor der Sicherheitskontrolle in 100 ml Behälter zu füllen und anschließend in Plastikbeuteln zu verstauen sind. „Jetzt haben doch bestimmt alle Flüssigkeiten in ihren Koffern. Ich dachte wir geben das Gepäck auf. Das gibt doch jetzt das totale Chaos!“ „Äh, habt ihr vielleicht noch ein paar Plastiktüten übrig?“, erkundigt sich Herr Dederich vorsichtig bei einer Gruppe beistehender Schüler. „Nee, sorry. Aber das hat Frau Nöh doch auch in den Elternbrief geschrieben, dass wir alles als Handgepäck nehmen…!?“ Tatsächlich stellt sich heraus, dass Herr Dederich und ich die einzigen sind, die nicht richtig lesen konnten. Also lassen wir uns in der Schlange etwas zurück fallen. So bekommt Frau Nöh es hoffentlich wenigstens nicht mit. Zum Glück kann man kurz vor der Kontrolle an einem Automat noch völlig überteuerte Plastikbeutel erstehen. Shampooflasche und Duschgel schaffen es leider trotzdem nicht in den Sicherheitsbereich. Dass die Nagelschere hingegen unentdeckt bleibt sehe ich mit gemischten Gefühlen. Da bin ich allerdings die einzige, denn unter Flugangst leidet hier außer mir niemand.


Einen ruhigen Flug und eine Busfahrt später machen wir uns vor den Türen der Jugendherberge mit den Hausregeln vertraut, welche unter anderem ein Gesangs-Verbot beinhalten. Einige Kalkuhl-Lehrer hätten hier wohl vor einem echten Problem gestanden…Von ihren Zimmern sind die Schüler sofort begeistert. Die einzige, die über fehlende Kleiderbügel und Steckdosenknappheit klagt, ist Frau Nöh.
Den ersten Abend verbringen wir nur noch damit ein Restaurant in der Nähe ausfindig zu machen und nach einem kurzen Verdauungsspaziergang fallen wir erschöpft in unsere Betten.


Der nächste Tag beginnt mit einer Stadtführung. Als wir am Startpunkt hinter dem Trinity College eintreffen, ist einer der beiden Führer bereits vor Ort. Seine Kollegin lässt noch kurz auf sich warten und als sie schließlich zu uns stößt, bin ich ein wenig erstaunt. Sie ist gefühlte 90 Jahre alt und trägt einen beachtlichen Damenbart. Noch erstaunter bin ich allerdings darüber, dass sich wie es aussieht keiner der Schüler ein Lachen verkneifen muss. Ich bin nicht gerade begeistert, als ich erfahre, dass ich in ihrer Gruppe mitgehen soll. Hoffentlich überlebt sie die Tour noch, denke ich, als ich die ungesund bläuliche Farbe ihrer Lippen bemerke. Als sie, Vivian ist ihr Name, bei unserem ersten Stopp zu sprechen beginnt, verstehe ich kein Wort. Und so soll das jetzt die ganze Zeit über gehen!? Verstehen die anderen sie etwa? Ist mein Englisch wirklich derart schlecht? Frustriert stelle ich mich auf zwei sehr lange Stunden ein. Als sie uns schließlich aufklärt, dass sie uns gerade auf Gälisch begrüßt hat, komme ich mir dementsprechend dumm vor. Den Gesichtern der anderen nach zu urteilen, bin ich zu allem Überfluss auch noch die Einzige, die der alten Frau auf den Leim gegangen ist. Schnell muss ich mir eingestehen, dass mich der erste Eindruck ordentlich getäuscht hat. Vivian ist trotz ihres Alters ausgesprochen fit im Kopf und auch auf den Beinen. Sie spricht zahlreiche Sprachen flüssig und verbindet in ihrer Führung gekonnt Geschichtliches mit aktuellem politischen Geschehen. Auch mit ihrer eigenen Meinung hält sie nicht hinter dem Berg, nutzt den aktuellen Besuch des britischen Premierministers um ihn nicht nur dafür verantwortlich zu machen, dass der Merrion Square gesperrt ist, durch den sie uns eigentlich führen wollte. Selbst mich, die ich normalerweise schnell abschalte, wenn ich lange zuhören muss, fesselt sie mit ihren Erzählungen und bezieht auch immer mal wieder ihre Zuhörer mit ein.


Im Anschluss an die Stadtführung stehen ein Besuch der alten Bibliothek sowie der Book of Kells Ausstellung auf dem Gelände des Trinity College auf dem Programm. Am Abend treffen wir uns alle zum gemeinsamen Abendessen in The Landmark, welches einige Schüler hervorragend ausgewählt haben. Anschließend zieht es uns mit einer kleinen Schülergruppe noch in einen nahe der Jugendherberge gelegenen Pub. Bei Kaminfeuer und Live-Musik wird die eine oder andere Runde Karten gespielt. Aus Rücksicht auf Herrn Dederich beschränkt sich dieses Vergnügen allerdings vorerst auf „MauMau“.


Bei schönstem Sonnenschein geht es am nächsten Morgen mit dem Zug nach Howth, eine Halbinsel nördlich von Dublin. Bei der anschließenden zweistündigen Klippenwanderung ist das Staunen über die Schönheit der schroffen Heidelandschaft groß. Bei Herrn Dederich und mir sogar so groß, dass wir über das Fotografieren eine noch kurz zuvor angekündigte Abzweigung verpassen und die gesamte Gruppe auf uns warten muss.
Am Abend finden wir uns alle zum Besuch des Musicals Riverdance vor dem Gaiety Theatre ein und erfreuen uns bis zum Einlass an den Straßenmusikern auf der Grafton Street. Ich habe noch nie Stepptanz gesehen und bin sehr beeindruckt von der musikalischen und sportlichen Hochleistung der Darsteller. Trotzdem rächt sich in der zweiten Halbzeit die Klippenwanderung und ich kann die Augen kaum noch offen halten. Nur die furchtbar laute Musik lässt mich immer wieder hochschrecken. Umso überraschter bin ich, wie angetan viele Schüler von der Vorführung sind. Sogar einige DVDs des Musicals gehen an diesem Abend über den Ladentisch.


Am nächsten Morgen geht es zunächst zu einer Besichtigung von Dublin Castle, bei der wir die vielfältigen Kapitel in der Geschichte der Burg vom Verwaltungssitz der Engländer über ein Lazarett zur Zeit des ersten Weltkriegs bis hin zum Standort für Staatsempfänge sowie die Vereidigung des irischen Präsidenten hautnah nachvollziehen können. Anschließend steht ein Besuch im National Wax Museum an. Nachdem wir uns beim Mittagessen gestärkt haben machen wir uns auf die etwas längere Wanderung zur Guinness Brauerei. Alle Schüler kommen ausnahmslos gut gelaunt und munter dort an. Wie auch an den letzten Tagen gibt es keinerlei Beschwerden über die etwas weiteren Laufwegen. Bei den begleitenden Lehrern hingegen haben die Klippenwanderung und die Fußwege durch die Stadt mittlerweile deutliche Spuren hinterlassen. Beide hinken sie nun vor mir her, Frau Nöh mit Blasen an den Füßen und Herr Dederich mit Knieproblemen.


Den letzten Abend lassen wir erneut im Pub ausklingen, in dem die Schüler mittlerweile Stammgäste sind. Herr Dederich hat in der Zwischenzeit auch „31“ und „Arschloch“ gelernt, was das Kartenspiel nun auch etwas abwechslungsreicher macht. Im Laufe des Abends sind dann nach und nach alle mit T-Shirts der Celtic Bar eingekleidet, ungeachtet dessen, dass irgendwann nur noch Größe XXL zu haben ist. Im Rausgehen stoppen wir noch kurz für ein Gruppenfoto vor der Bar, woraufhin uns die Kellner sogleich für ein besseres Fotomotiv hinter die Theke lotsen. Alle zücken ihre Handys und machen Bilder und wer weiß, vielleicht darf die nächste Schülergruppe, die sich auf Studienfahrt nach Dublin begibt, ja ein eingerahmtes Foto ihrer Vorgänger in diesem Pub bewundern. Denn eine Studienfahrt nach Dublin kann ich nur wärmstens weiterempfehlen.
Ich denke ich spreche im Namen der ganzen Gruppe, wenn ich mich bei Frau Nöh für eine äußerst gelungene und sehr abwechslungsreiche Studienfahrt bedanke. Ich denke es war für jeden Geschmack etwas dabei. Und ich denke, ich spreche ebenso für die beiden Lehrkräfte, wenn ich mich bei allen Schülern für eine äußerst harmonische und entspannte Reise bedanke.

(Katharina Jentzsch)