Die Lahn mal wieder, diesmal 2008

Allen, die an dieser Stelle genaue Daten, Namen und Orte erwarten, kann ich gleich sagen: Es tut mir leid, die wird es nicht geben. Viel mehr möchte ich über ein paar persönliche Eindrücke sprechen, die mich jedes Mal wieder, geradezu magisch angezogen an dieser einen Wanderfahrt teilnehmen lassen. Eigentlich müsste ich dazu auch gar nicht viel schreiben, denn die Bilder, die Herr Theil freundlicherweise ins Internet gestellt hat, sprechen schon für sich. Dennoch erlaubt mir ein paar Worte.

Für gewöhnlich reise ich immer am Donnerstagmorgen aus Bonn direkt zu unserem Startpunkt Diez an. Hier versammeln sich dann auch zum ersten Mal wirklich alle, denn wer es zum Aufladen der Boote nicht geschafft hat, der ist aber spätestens ab hier mit dabei. So sehe ich hier einige Gesichter auch zum ersten Mal und erfahre, mit wem ich auf dieser ersten Etappe im Boot sein darf. Das ist ein Ritus, der so alt wie der SRV, wahrscheinlich aber noch viel älter ist. Auch an diesem Morgen stellt sich ein kleinerer Mensch vor mich hin und sagt: „Und du bist also der Marc; von dir haben wir schon viel gehört“. „Ach ja“, sage ich und wundere mich über das durchaus vorhandene Selbstbewusstsein. „Ich möchte heute steuern“, sagt mir dann die gleiche kleine Person. „Ach ja“, sage ich wieder und mustere den Rest der Mannschaft. Beim Anblick der tapferen Mannen wird dann aber auch schnell klar, dass ich auf dieser Wanderfahrt keinen Meter steuern werde, höchstens mit der Fußsteuerung eines Dreiers. L So oder so ähnlich sind dann auch die jeweils folgenden Tage bzw. Abende, nachdem die Bootsaufteilung bekannt gegeben wurde.

Beim Anblick der Zelt- und im folgenden auch Schlafplätze, wundere ich mich immer, wie chaotisch alles doch wirkt. Bunte Zelte, Essensreste, dreckiges Geschirr, Gepäck, Kindergeschrei, Boote und Ausrüstung, Verbandskästen, auch mal ein Kasten Bier für die Alten Herren und Damen. So lehne ich mich denn zu Walter hinüber und frage: „Sag mal, war das immer so?“ Walter mit einem überaus großzügigen und vernehmlichen Lachen: „Ich kann dich beruhigen, es war früher noch viel schlimmer“. J „Ach ja“, sage ich.

Walter Seidl würde ich selbst zu einem der erfahrensten Wanderruderer des SRV zählen. Wenn er auch sicherlich nicht jede Kilometerstatistik anführt, so hat er doch mehr Zeltplätze und Bootshäuser, kleine Jungs und Mädchen in ihren Booten und besorgte Eltern gesehen und erlebt als jeder von uns. Und da ich nun aber selbst unter seiner Obhut in all den Jahren Zeltplätze verwüstet habe, die Obmänner in den Wahnsinn getrieben und wahrscheinlich zu vielem ungefragt meinen Senf dazu gab, nehme ich demütig seine Einschätzung zur Kenntnis.

Aber dieser Verein ist weit mehr als das tägliche Durcheinander auf einer Wanderfahrt. An diesem Morgen treffen sich auch ganz verschiedene Menschen, die alle nur ein Ziel haben: Rudern. Nein, haha, falsch geraten: eine gute Zeit – zusammen, lautet die richtige Antwort. Rudern kann ich auch in Melbourne, Duisburg, oder Kölle, aber zusammen mit diesen Menschen kann ich das nur einmal im Jahr – auf der Lahn. Studenten, Anwälte, Lehrer, Beamte, Angestellte, Hausfrau und Mutter, Pensionäre und natürlich Schüler – alleine diese Liste macht mir schon eine Gänsehaut. Wer kann von sich selbst behaupten, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein? Wenn auch nur für Tage. Ganz offen: Ich kenne nicht viele. Es wird gelacht, sich gegenseitig geholfen, natürlich auch verflucht, mal ein Bier getrunken, gesungen, natürlich auch mal gerudert. Am Ende des Tages haben wir dann zwischen sechs und acht Stunden voneinander gelernt, miteinander gelebt, miteinander erlebt, wir waren ein Team. An dieser Stelle auch ein kleiner Gruß an alle Eltern: Die sozialen Kompetenzen, die Ihre Kinder auf so einer Fahrt erwerben, gibt es zum Fahrtenbeitrag – sozusagen kostenlos – dazu. Team, Leadership, Decision Making, Konfliktlösung, Stressbewältigung, all das sind doch Themen heutiger Erziehung in und außerhalb der Schule. Wenn Sie ganz genau hinsehen, werden Sie all diese Themen auf so einer Wanderfahrt wiederfinden.

Ich könnte noch viele schöne Beispiele bringen, ich würde auch gern noch viele persönliche Geschichten und von guten Gesprächen erzählen, aber dafür reicht der Platz hier leider nicht. Ich möchte mich stattdessen – und ich glaube, ich spreche auch für viele andere alte Damen und Herren – bei den Schülern bedanken. Ihr nehmt uns immer offen auf, seid offen für unsere Tipps und Tricks, erlaubt uns euch zu führen, Vorbild zu sein. Das ist nicht selbstverständlich. Ich möchte mich auch bei den alten Herren und Damen bedanken, die ihren Alltag unterbrechen, um in dieser Gemeinschaft ein paar Tage zu verbringen, sich einzubringen. Bitte haltet euer Engagement aufrecht, denn wir profitieren alle davon.

Am Sonntag kommen wir dann, diesmal auch wieder im schönsten Sonnenschein, gegen Nachmittag in Bonn am Bootshaus an, wo dann meist das letzte Gefecht stattfindet: Boote putzen. Keiner ist wirklich motiviert, alle haben auf einmal am nächsten Tag eine Klassenarbeit, oder der kleine Bruder vermisst mich sehr, dass ich sofort nach Hause muss, mein Meerschweinchen ist krank. „Ach ja?“

Wenn dann der Moment kommt sich zu verabschieden, Mütter und Väter ihre Schützlinge wieder in Empfang nehmen, dann denke ich, wie auch schon in den vergangen Jahren: Och, die Fahrt hätte ruhig noch ein, zwei Tage länger dauern können.

Ich für meinen Teil habe mich auf der Lahn 2008 großartig amüsiert und hoffe, ich darf auch 2009 wieder mit dabei sein. Danke euch allen!

Marc Röser, Alter Herr

Für diejenigen, die mich nicht kennen: Ruderer und Präsident im SRV, Alter Herr seit 1989, verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohne bei Bonn.